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Anwesenheitspflichten/-kontrollen in Lehrveranstaltungen
Anwesenheit in Lehrveranstaltungen ist und darf kein Kriterium bei der Leistungsbewertung im Studium oder für die Zulassung zu einer Prüfungsleistung sein. Dennoch versuchen Dozierende immer wieder neben inhaltlichen bzw. methodischen Angeboten über teils kreative Lösungen zusätzliche Anreize für Anwesenheit in ihren Lehrveranstaltungen zu schaffen.
Es gibt in jeder Veranstaltung Gummibärchen, Freibier oder Glühwein? Das ist kein Problem! Problematisch und rechtlich unzulässig wird es, sobald Anwesenheit in Lehrveranstaltungen zur Leistungsbewertung oder zur Prüfungszulassung herangezogen wird. Dabei ist es egal, ob klassisch Anwesenheitslisten herumgegeben werden, am Anfang Namen aufgerufen werden oder sich der/die Dozent:in im Nachhinein versucht zu errinnern, wer anwesend war. Anwesenheit in Lehrveranstaltung darf keine Bonuspunkte in der Klausur einbringen oder Zulassungsvorraussetzung zur Prüfungsleistung sein.
Mit der Reform des Hochschulgesetzes gehören Anwesenheitspflichten genau wie Sitzscheine seit 2009 der Vergangenheit an. Ihr findet eine entsprechende Bestätigung in den folgenden einem Rundschreiben von 2009 vom damaligen Prorektor Prof. Dr. Lenz und eine Bestätigung der Gültigkeit des Rundschreibens aus dem Rektorat von 2016. Im Jahr 2009 hat sich die damalige Ministerin des SMWK Prof. Dr. Dr. Sabine von Schorlemer im Landtag zur Anwesenheitspflicht auf Nachfrage von Holger Mann geäußert und klargestellt, dass in Sachsen eine Anwenseheitspflicht nicht zulässig ist (siehe Auszug aus dem Plenarprotokoll).
Kreative Ideen zur Umsetzung eines Anwesenheitszwanges kann bspw. auch sein, dass Lehr- und Lernmaterialien nur in den Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden, Prüfungsleistungen wie Referate auf mehrere Veranstaltungen aufgeteilt werden oder die Einschreibung über ein mehrstufiges Verfahren in der Lehrveranstaltung selbst erfolgen muss. Hier ist die Lage rechtlich leider nicht ganz so eindeutig. In der Regel gilt: Je verbindlicher die Vorgaben durch die Dozierenden sind, umso unzulässiger sind sie. Im Zweifelsfall könnt ihr euch immer gern an das Referat Lehre und Studium wenden! Wir unterstützen euch argumentativ auch im Gespräch mit den Dozierenden, um eine unkomplizierte Lösung für ein freies Studium zu finden.
Ein Hauptziel der Bologna-Reform war und ist es, dass Modulprüfungen kompetenzorientiert erfolgen, d.h. es müssen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Rahmen eines Moduls erworben werden. Anwesenheit stellt jedoch offenkundig keine Kompetenz da.
Nichtsdestotrotz kann es gute Gründe für einen Anwesenheitspflicht geben, bspw. für Belehrungen oder Sicherheitseinweisungen. Insbesondere ist eine Präsenz auch dann notwendig, wenn es sich um eine Prüfungsleistung handelt, bspw. ein (mehrtägiges) Laborpraktikum.
Auszug aus dem Plenarprotokoll des Landtags vom 10.12.2009
Siehe auch Vollständiges Plenarprotokoll 5/6 vom 10. Dezember 2009
Holger Mann: „[…] Welche Auffassung vertritt die Staatsregierung hinsichtlich der Zulässigkeit, die Anwesenheitspflicht als Zulassungskriterium zur Prüfung oder Prüfungskriterium heranzuziehen? […]“
Prof. Dr. Dr. Sabine von Schorlemer: „Die Führung von Anwesenheitslisten zur Ermittlung, ob Studierende regelmäßig Lehrveranstaltungen, Seminaren o. Ä. beigewohnt haben, ist nur auf freiwilliger Basis zulässig. Insbesondere darf der Nachweis einer regelmäßigen Teilnahme von Studierenden an solchen Veranstaltungen nicht zur Voraussetzung einer Zulassung zu Hochschulprüfungen gemacht.
Die Muster-Rahmenordnung für Diplomprüfungsordnungen für Universitäten und gleichgestellte Hochschulen (KMK/HRK 1999) definiert die Teilnahme an Lehrveranstaltungen weder als Studienleistung (S. 32 „Reine Teilnahmebescheinigungen sind keine Studienleistungen“) noch als Prüfungsvoraussetzung. Der Freistaat Sachsen hatte dieser Muster-Rahmenordnung, an deren Ausarbeitung er maßgeblich beteiligt war, zugestimmt und auf ihre Umsetzung an den Hochschulen geachtet.
Eine Muster-Rahmenordnung für Bachelor- oder Masterstudiengänge gibt es nicht und kann es, bei richtigem Verständnis des europäischen Bologna-Prozesses, auch gar nicht geben. Die sächsischen Hochschulen entscheiden seit 2006 völlig selbstständig über ihre Studien- und Prüfungsordnungen und haben nach Aussagen ihrer für Prüfungsfragen zuständigen Dezernenten keine Regelungen in den Prüfungsordnungen über eine Präsenzpflicht als Prüfungsvoraussetzung getroffen.
Wenn es dennoch zu entsprechenden Äußerungen von Hochschullehrern gegenüber Studierenden gekommen ist, entbehren diese jedenfalls bisher einer rechtlichen Grundlage.“