Jan Völker: Die Enteignung der Zeit

Datum: 
Donnerstag, 8. Mai 2025 - 19:00 - 21:00
Ort: 
objekt klein a
Veranstaltet von: 
Referat Politische Bildung

Die Länge eines Tages auf dem Mars ist knappe 40 Minuten länger als auf der Erde, ein Jahr fast doppelt so lang wie das Jahr auf der Erde. Der Mars bietet ausgezeichnete Bedingungen für das Kapital, um die Abschöpfung des Mehrwertes aus dem einzelnen Arbeitstag zu erhöhen. Und auch wenn noch keine Arbeitskolonien auf dem Mars gegründet sind, so ist dennoch die maximale Ausdehnung der Gegenwart, die sich in der Expansion in das Weltall abzeichnet, bereits auf der Erde abzulesen: Reine Gegenwart, ein Regime der reinen Unmittelbarkeit, wie es Anna Kornbluh jüngst konstatiert hat, gibt die Zeitstruktur des Spätkapitalismus ab.
Dem entspricht die Ausrichtung der Ökonomie auf die Zirkulation von allem und jedem, eine Zirkulation, die Produktivität simuliert. Gegen die erweiterte Zirkulation in der reinen Gegenwart ist nicht aber für Entschleunigung, und noch weniger für Beschleunigung einzutreten, sondern für das Denken der Zeit überhaupt. Dieses Denken der Zeit muss das Denken des Ereignisses als “Enteignis” (Heidegger) aufnehmen, als eine Enteignung von jeglicher Verstrickung der Zeit mit dem Besitz. “Jetztzeit” (Benjamin) beginnt als Stillstellung der Zeit und öffnet sich auf eine Vergangenheit und eine Zukunft, indem sie eine andere Gegenwart denkt: Die geteilte Zeit des kollektiven Ereignisses.