Ilse Bindseil: Neoliberalismus als Wahrheitselixier und die Lehren der Geschichte

Datum: 
Donnerstag, 15. Mai 2025 - 19:00 - 21:00
Ort: 
objekt klein a
Veranstaltet von: 
Referat Politische Bildung

Zur Einstimmung: Die Geschichte hält keine Lehren bereit. Nur indem ich darauf verzichte, von ihr bedient zu werden, kann ich von ihr lernen. Aus der Geschichte lernen, wie die Formel lautet, heißt nicht, die Fehler, die einmal gemacht wurden, beim nächsten Mal vermeiden. Es heißt vielmehr, sich als Bestandteil der Geschichte zu begreifen. Also: Nicht um Reflexion eines geschichtlichen Zusammenhangs geht es mir, sondern um Selbstreflexion. Den Vorbehalt aufzugeben, der einen Spielraum suggeriert, den es so gar nicht gibt, den scheinhaften Zwischenraum zwischen mir und der Geschichte zu zertrümmern, in dem sich Besserwisserei, Schuldlosigkeit oder eine unverbrüchliche Hoffnung auf Fortschritt eingenistet haben, darauf kommt es mir an. Aufgeregt und angeregt durch die Erfahrung von Ohnmacht und Auflösung, die der Neoliberalismus dem aufgeklärten Subjekt zumutet, möchte ich zeigen, dass das Subjekt nur in der Abspaltung existiert, in den Illusionen, die es sich über seine Rolle als geschichtliches Subjekt und Denker der Geschichte macht. Hat mein Vertrauen in die prominente Rolle des Subjekts sich verflüchtigt, kann ich mich für den Verlust gleich doppelt entschädigen: indem ich in meinem geistigen Vermögen den „allgemeinen Intellekt“ erkenne, auf den Marx verweist, und indem ich mich als Teil der faktischen Geschichte akzeptiere. Habe ich, den einen Zusammenhang zu realisieren, kräftig geübt, kann ich mit Gewinn vom anderen erzählen.