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Vorläufige Stellungnahme zum Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD
Mit großen Hoffnungen nahmen wir die Aushandlung des Koalitionsvertrages auf, doch waren wir schnell enttäuscht, dass dem Bereich Bildung insgesamt nur 13 Seiten gewidmet wurden. Dies entspricht nicht einmal 10% des Vertrages, trotz des sogenannten 10%-Ziels, und ist bezeichnend für den geringen Stellenwert, den die Bildung offenbar bei CDU/CSU und SPD einnimmt.
Der Titel des Abschnitts „In Deutschlands Zukunft inverstieren: Bildung und Forschung“ (Koalistionsvertrag S.26-29) überschriebenen Seiten stellt den gescheiterten Versuch der Koalitionsparteien dar, einem für uns und die Zukunft Deutschlands wichtigen, Thema zu widmen.
Bereits im ersten Teilbereich, welcher schlicht mit "Hochschulen" überschrieben ist (Koalitionsvertrag S.26-29), werden schnell Widersprüche und inhaltliche Leere des Programmes deutlich. Das beim Lesen des Absatzes indentierte Bild, bei welchem alle Studenten als teilhabeberechtigt, integriert und gleichberechtigt dargestellt werden und vollkommene Bildungsgerechtigkeit genießen dürfen, wird schnell zerstört. Die Realität anders aus, was spätestens auf Seite 29 deutlich wird. Die angestrebten Ziele der Teilhabe, Integration und Bildungsgerechtigkeit stehen in keinerlei Verhältnis zu dem geplanten Ausbau der Begabtenförderung (S.29). Nur wenn alle Studierende über ein sicheres Grundeinkommen verfügen, können diese Vorsätze annähernd erreicht werden. Dies könnte beispielsweise über das Bundeausbildungsförderungsgesetz, realisiert werden, welches einer dringenden Komplettsanierung bedarf, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. Selbiges gilt auch für die Exzellenzinitative: Die ihr zugeschriebene Dynamik (Koalitionsvertrag S.26) bedeutet zwar einen Zuwachs für die gefördertenen Hochschulen, geht aber gleichzeichtig auch zu Lasten aller nicht-geförderten Bildungsstätten. Der Koalitionsvertrag plant leider keine Regulierung dieser problematischen Entwicklung, die eine fatale Trennung zwischen Forschungs- und Lehrinstanzen anstößt. Hinterfragenswert ist ebenfalls, wie der Bund Planungssicherheit für die Hochschulen (Koalitionsvertrag S.26) herstellen möchte, wenn weder Ideen noch finanzielle und personelle Mittel dazu vorhanden zu sein scheinen.
Insgesamt ist fraglich, wie die auch an an vielen weiteren Stellen im Koalitionsvertrag vereinbarten "Stärkungen" verschiedenster gesellschaftlicher Aufgaben finanziert werden sollen, wenn gleichzeitig weder die Schuldenbremse angetastet, noch neue Einnahmequellen wie bspw. eine Vermögenssteuer erschlossen werden sollen.
Wir freuen uns, dass endlich die Unzumutbarkeit der prekären Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft erkannt wurde. Jedoch ist es nicht tragbar, den Hochschulen die alleinige Verantwortung dafür zuzuweisen, da diese im Zwiespalt zwischen Verwaltung tendentiell sinkender zu Verfügung stehenden Mittel und Gestaltung von Lehre und Wissenschaft kaum Spielräume mehr sehen. Statt langfristige Ziele zu setzen, zeugt das Festhalten an der alleinigen Gestaltungsmacht der Hochschulen davon, dass weiterhin die Lösung in kurzfristigen Projekten und Arbeitsverträgen gesucht wird, statt die versprochene Planungssicherheit für die Hochschule als Arbeitgeber und ihre Arbeitnehmer zu schaffen. Ein Schritt in die richtige Richtung wären Gesetze auf Bundesebene, die an dieser Stelle klärend und regelnd eingreifen.
Des Weiteren reicht es unserer Meinung nach nicht aus, die angestrebte Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern (Koalitionsvertrag S.27f.) durch das Einführen von Quoten herbeiführen zu wollen. Viel wichtiger ist es, die Triade von Familie, Beruf und arbeitsfreier Zeit gerade für Frauen und Menschen mit Kindern ins Gleichgewicht zu bringen. Dafür elementar ist es, dass bisher (angedachte) Projekte zur Chancengleichheit nicht als einzelne Elemente, sondern als Teil des Ganzen gesehen werden. Eine Orientierung an dem Kaskadenmodell zur Förderung von Frauen und anderen benachteiligten Menschen kann dabei ein Ansatz sein. Ebenso muss den immer noch bestehenden Vourteilen zu "typischen Frauen-" und "typischen Männerstudiengängen" mit entsprechenden Maßnahmen vor allen in den Schulen sowie bei Studienberatungsangeboten aktiv entgegengewirkt werden.
Die Internationalsierung der Wissenschaft (Koalitionsvertrag S.29) ist sicherlich ein schönes Ziel, jedoch fehlt die notwendige Infrastruktur dafür, um nicht nur ohnehin schon bessergestellte Studenten und Lehrende zu erreichen. Um diesen Vorsatz ansatzweise realisieren zu können, braucht es eine Öffnung der Hochschulstandorte für Studenten wie auch Wissenschaftler aus dem Ausland, sowie qualitativ hochwertige Lehre im In- und Ausland. Ganz konkret bedeutet dies zum Beispiel eine Flexibilierung des Aufenthalts- und Arbeitsrechtes für ausländische Studenten in Deutschland. Studiengebühren für ausländische Studenten, wie sie in einigen Bundesländern erhoben werden, müssen dazu ebenfalls abgeschafft werden. Ein "Europa-BAföG" könnte als Initiative der Bundesregierung in den EU-Gremien auch über Deutschland hinaus Vorbildwirkung entfalten.
Der Wohnungsmangel an den meisten Hochschulstandorten verschärft sich, trotz vieler Initiativen, immer weiter. Deswegen ist es unserer Meinung nach, nicht damit getan, bereits vorhandene Initiativen des Bundes weiterzuführen Koalitionsvertrag (S.114). Vielmehr müssen diese ausgeweitet und sozialer Wohnungsbau auch für Wohnheime möglich werden. Letzteres impliziert eine zusätzliche, aufgabenspezifische Finanzierung der Studentenwerke durch den Bund und die Länder. Dafür ist auch hier die Beseitigung des Kooperationsverbotes zwingend notwendig.
Durch die Lektüre dieser wenigen Seiten wird deutlich, dass es den Autoren an Ideen zur Gestaltung, Visionen als Gestaltungsziele und kreativen Finanzierungsmodellen mangelt. So entschließt man sich also einmal mehr dazu, zu Verwalten anstatt aktiv zu Gestalten. Dies halten wir für den falschen Weg. Wir fordern eine strategisch angelegte Stärkung der Lehre an den Hochschulen und die Ausfinanzierung der höheren Bildungsinstanzen in allen Bundesländern!
Die Geschäftsführung des StuRa